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Seltsame Ähnlichkeiten zwischen dem menschlichen Gehirn und dem Universum



Bild Quelle:  https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphy.2020.525731/full

Ein Astrophysiker von der Universität Bologna und ein Neurochirurg von der Universität Verona verglichen das Netzwerk der Nervenzellen im menschlichen Gehirn mit dem kosmischen Netzwerk der Galaxien. Diese Analysen zeigen, dass die Strukturen des beobachtbaren Universums den neuronalen Netzen des menschlichen Gehirns überraschend ähnlich sind. Die Forschung legt nahe, dass die Gesetze, die die Entwicklung des Gehirns und des Kosmos bestimmen, die gleichen sein könnten. Eine der faszinierenden Eigenheiten der Welt um uns herum besteht darin, dass verschiedene Formen und Muster in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen auftreten. Zum Beispiel findet sich die goldene Spirale (die Fibonacci-Spirale) in einem Schneckenhaus und in der Form einer Spiralgalaxie, und das Venenmuster hallt in einem Blitzzweig wider.

Das Universum wie ein großes Gehirn



In einer kühnen neuen Studie, die in Frontiers in Physics (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphy.2020.525731/full) veröffentlicht wurde, verglich der Astrophysiker und Neurochirurg mittels quantitativer Analyse die beiden komplexesten Systeme in der Natur: das neuronale Netzwerk im menschlichen Gehirn und das kosmische Netzwerk der Galaxien im Universum. Tatsächlich ist dies kein so merkwürdiger Vergleich. Seit langem kursieren im Internet Bilder, die zum einen ein Netzwerk von Neuronen und zum anderen einen Galaxienhaufen zeigen, die sich verblüffend ähnlich sehen.

Aber das menschliche Gehirn und das Universum sind viel mehr als nur ein Blick. Der Astrophysiker Franco Vazza von der Universität Bologna und der Neurochirurg Alberto Feletti von der Universität Verona haben die letzten Jahre damit verbracht, die verschiedenen Ähnlichkeiten zwischen dem Universum und dem Gehirn zu untersuchen.

Sie erläuterten ihre Arbeit bereits im Jahr 2017. "Galaxien können sich zu riesigen Strukturen gruppieren, die sich über Hunderte von Millionen von Lichtjahren erstrecken. Die Grenze zwischen diesen Strukturen und den angrenzenden leeren Räumen kann äußerst komplex sein. Die Schwerkraft beschleunigt die Materie an diesen Grenzen auf Geschwindigkeiten von Tausenden von Kilometern pro Sekunde und erzeugt Schockwellen und Turbulenzen in intergalaktischen Gasen. Wir sagten voraus, dass solche Grenzen zu den komplexesten Orten im Universum gehören, die durch die Anzahl der Informationsbits charakterisiert werden können, die zu ihrer Beschreibung benötigt werden. Dies veranlasste uns, die Frage zu stellen: Sind ähnliche Strukturen komplexer als das menschliche Gehirn? - schrieben die Wissenschaftler in der Nautilus vierteljährlich.

Der Grad der Komplexität und Selbstorganisation

In Bezug auf die Größe unterscheiden sich das Gehirn und das Universum um 27 Größenordnungen. Die Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die physikalischen Prozesse, die die Struktur des Universums und die Struktur des menschlichen Gehirns antreiben, zwar sehr unterschiedlich sind, aber zu einem ähnlichen Grad an Komplexität und Selbstorganisation führen können.

Ausgangspunkt war es, Ähnlichkeiten zwischen den beiden untersuchten Strukturen zu finden. Das menschliche Gehirn enthält etwa 69 Milliarden Neuronen, und im beobachtbaren Universum gibt es 100 Milliarden Galaxien. Dies, so die Autoren der Publikation, ist eine der Gemeinsamkeiten.
Eine weitere Ähnlichkeit ist die Art und Weise, wie es organisiert ist. Die beiden Systeme sind in einem wohldefinierten Netzwerk angeordnet, wobei die Knotenpunkte sie auf unverwechselbare Weise miteinander verbinden. Der Informations- und Energiefluss macht nur etwa 25% der Masse und Energie jedes Systems aus.

Darüber hinaus gibt es Ähnlichkeiten zwischen der Zusammensetzung des Gehirns und der Zusammensetzung des Universums. Wasser macht etwa 77 Prozent der Gehirnmasse aus, während das Universum zu 72 Prozent aus dunkler Materie und Energie besteht (nach einigen Schätzungen sogar zu 95 Prozent). Sowohl Wasser als auch dunkle Materie scheinen nur eine indirekte Rolle in den inneren Strukturen von Gehirn und Raum zu spielen, sagen Forscher.

Weitere Ähnlichkeiten zwischen dem Gehirn und dem Kosmos

Nachdem sie die oben genannten Ähnlichkeiten festgestellt hatten, nahmen die Forscher einen quantitativen Vergleich der beiden Strukturen anhand von Bildern vor. Zu diesem Zweck wurden Illustrationen des menschlichen Gehirns und Simulationen des Erscheinungsbildes des Raumnetzes zusammengestellt.

Die Forscher suchten nach Unterschieden in der Dichte der Materieverteilung und fanden heraus, dass sie in beiden Systemen überraschend ähnlich ist. - Wir berechneten die spektrale Dichte beider Systeme. Dies ist eine in der Kosmologie häufig verwendete Technik zur Untersuchung der räumlichen Verteilung von Galaxien", sagt Vazza.

- Unsere Analyse hat gezeigt, dass die Verteilung neuronaler Netze auf einer Skala von 1 Mikrometer bis 0,1 Millimeter der Verteilung von Materie in einem Raumnetz ähnlich ist, aber natürlich in einem größeren Maßstab, der zwischen 5 Millionen und 500 Millionen Lichtjahren liegt", fügt der Forscher hinzu.

Aber das ist noch nicht alles. Das Team untersuchte auch andere morphologische Merkmale, wie z.B. die Anzahl der Verbindungen zwischen wichtigen Knoten in beiden Netzwerken. Im Durchschnitt hatte das Raumnetz 3,8 bis 4,1 Verbindungen pro Knoten, während das Gehirn durchschnittlich 4,6 bis 5,4 Verbindungen pro Knoten hatte. Darüber hinaus zeigten beide Systeme eine Tendenz zur Konzentration von Verbindungen um zentrale Knotenpunkte herum. All dies lässt das Gehirn und das Universum über eine ähnliche Informationskapazität verfügen.

Das bedeutet nicht, dass das Universum ein riesiges Gehirn oder eine riesige Struktur ist, die in der Lage ist, zu fühlen. Die Forschung deutet darauf hin, dass die Gesetze, die die Entwicklung des Gehirns und des Universums bestimmen, ansonsten die gleichen sein könnten.